Wie alles begann…

B.J.
Netzwerker
28. Oktober 2015

…eine fast unglaubliche LiebesGeschichte

Frühjahr 2017

Ich nehme den roten Parfumflacon in die Hand und versprühe einen Hauch von Duft. Und sofort ist sie wieder da, die Erinnerung. Die Erinnerung an die erste Begegnung mit einer mir fremden Frau. Die Erinnerung an eine zufällige Begegnung bei Gosch im Hamburger Bahnhof. Die Erinnerung an eine sofortige und unmissverständliche Vertrautheit, wie sie mir nie zuvor bei einer ersten Begegnung passiert ist.

Schon die ersten Gesten, die ersten Worte, die erste Nase voll „Du“ vermitteln mir eine große Nähe, ein Urvertrauen. Unsere Körper und Seelen scheinen sich anzuziehen, Sie saugen einander auf wie ein ausgetrockneter Schwamm unter den Tropfen eines ergiebigen Sommerregen. Es ist Dezember und ungemütlich naßkalt in der Hansestadt …

Orba, Dezember 2014

Die vorweihnachtlichen Wochen sind warm, ungewöhnlich warm auch im sonnenverwöhnten Orba. Du nutzt jede Gelegenheit, die dir Christa läßt, um ein Sonnenbad am Pool zu nehmen. Deine Nächte sind sehr anstrengend in diesen Wochen. Christa läßt nur wenig Schlaf zu und verlangt viel Aufmerksamkeit. Tagsüber, wenn Christa in ihrem Sessel unter dem Sonnenschirm sitzt und irgendwie so süß aussieht mit ihrem Sonnenhut, denkst du an Weihnachten. Du freust sich auf Tante Nelly und ein paar ruhige Tage in Hamburg. Deine Familie meint es zur Zeit nicht gut mit dir. Dennoch hast du vor, wenigsten für einen Tag zu den Enkeln nach Geilenkirchen zu fahren. Vieles geht dir durch den Kopf, vieles ist noch zu erledigen. Die Scheidung dauerte nun schon über Jahre und immer noch kein Ende in Sicht. Immer neue Einwände und immer wieder Zeitschinden. Am zweiten Weihnachtstag wird du nach Alicante fahren und den Flieger nach Hamburg nehmen, am Samstag dann mit der S-Bahn in die City und etwas Weihnachtstrubel nachholen. Du liebst Weihnachtstrubel. Vielleicht hat ja der Weihnachtsmarkt am Rathausmarkt noch geöffnet.

Frankfurt, Dezember 2014

Mein neues Projekt in Frankfurt hat am 1. Dezember begonnen. Es fühlt sich noch alles sehr unwirklich an. Die neue Stadt, die neuen Kollegen, die neue Aufgabe. Dazu regnet es viel in diesen Wochen in Frankfurt und es ist eigentlich immer dunkel. Morgens, wenn ich das Hotel verlasse, ist es dunkel und abends, wenn ich zurück komme schon wieder. Ich vermisse den Hof, meine Tiere, denke viel an sie und hoffe, dass Martha mit allem zurecht kommt, wenn ich auf „Montage“ bin, wie ich nenne und sie bei mir zuhause einhütet. Vieles kommt zusammen in diesen Wochen. Ich bin seit längerer Zeit mit allem allein auf dem Hof nach der letztendlich doch plötzlichen Trennung. Überfallartig hat sie ihre Sachen gepackt und ist verschwunden. Ich habe mich schütteln müssen, wie ein begossener Pudel, war einige Tage sehr benommen. Aber ich will mich nicht verstecken, unterkriegen lassen und bin ziemlich schnell wieder zuversichtlich und bereit für neues, zumindest beruflich.

Weihnachtlich ist mir nicht zumute in diesen ersten Wochen in Frankfurt. Ich bin allein auf den Weihnachtsmarkt am Frankfurter Münsterplatz gegangen zwischen all die leutseeligen Grüppchen von Menschen. Es macht nicht wirklich Spaß. Eine echte Familie gibt es zur Zeit für mich nicht. Meine Tochter zieht es nicht zu mir, meine Stiefsöhne ohnehin nicht. So bereite ich mich auf eher triste Weihnachten am Hof vor. Am Samstag nach Weihnachten werde ich mir ein paar Stunden Großstadt geben und nach Hamburg fahren.

Hamburg, 27. Dezember 2014

Ich habe Durst und freue mich auf einen Cappuccino bei Gosch im Bahnhof, bevor ich zurück fahre nach Bremervörde. Gosch ist gut besucht, wie so oft. Kein freier Tisch. In der Ecke unter dem Fernseher sitzt an einem Dreiertisch jemand. Eine Frau, alleine wie es scheint. Alle anderen Tische sind mit zwei oder mehr Personen besetzt. Ich frag mal, ob ich mich dazu setzen kann, denke ich. Das mache ich nicht gern und auch nicht oft. Aber ohne Cappuccino will ich heute nicht in den Zug steigen.

Sie schaut auf. Ja gern, sagt sie und weist mit der Hand auf den freien Platz neben sich. Ein angenehmer Duft umgibt sie. Ihre Hände fallen mir sofort auf und ihre ungewöhnliche Bräune im Gesicht. Waren Sie in Urlaub? Wir kommen ins Gespräch. Worüber? Ich weiß es nicht mehr. Die Welt um uns herum scheint zu verschwimmen, sich aufzulösen. Wir sitzen nebeneinander, über Eck an einem schlichten Holztisch, lachen, scherzen und erzählen völlig unbefangen aus unseren Leben.

Ich schaue auf die Uhr. Jetzt wäre es an der Zeit aufzubrechen. Mein Zug geht in einigen Minuten. Aber ich kann unmöglich einfach aufstehen und zum Zug gehen. Jetzt. Einfach so. Als wäre da nichts. Da es Mittagszeit ist, frage ich sie, ob sie Lust hätte, mit mir zu einem Hamburger Traditionslokal ganz in der Nähe auf der Mönckebergstraße auf einen Imbiss zu gehen. Sie hat. Wir verlassen den Bahnhof, queren die vierspurige Straße und sind in der Fußgängerzone. Ich biete ihr meinen Arm an, sie hakt sich unter und so gehen wir – Ich aus Steinfeld und Du aus Orba – zuerst zum Fischessen zu Daniel Wischer, dann herüber in die Speicherstadt in die Kaffeemanufaktur, dann auf den Weihnachtsmarkt am Rathaus und schließlich im Portugieserviertel in der Nähe der Englandfähre in ein Restaurant …. ich glaube, wir grinsen beide bis an die Ohren. Immer und unablässig. Schon die Bedienung bei Wischer sieht uns an, lächelt wie eine Wissende, die Menschen in der Kaffeemanufaktur sehen uns an, wohlwollend und zustimmend, es ist unbeschreiblich. Wie kann es sein, dass zwei Menschen so unvermittelt aufeinandertreffen und sich so vertraut fühlen. Vor einer Minute wussten wir nichts voneinander, nicht einmal das es den anderen gibt. Jetzt berühre ich Dich sachte und zögerlich am Arm, erfasse deine Hand und drücke sie sanft an meine Lippen. Du läßt es geschehen. So vertraut, so unbeschreiblich vertraut. „Ich kann dich gut riechen“ ist ganz offenbar mehr als eine Redewendung.

Die Zeit verfliegt. Mein letzter Zug zurück nach Bremervörde geht gegen neun, deine S-Bahn nach Quickborn fährt alle halbe Stunde. Ich bringe dich zu deinem Gleis. Eine zarte, aber innige Umarmung, ein zarter Kuss, noch schnell eine Nase voll von deinem Duft, von dir. Dann muß ich laufen, um meinen Zug nicht zu verpassen.

Ich bin beschwingt, betrübt, benebelt, glücklich bis in die Fingerspitzen, weiß nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen. Werde ich dich wiedersehen? Wann? Wo? Wie? So schnell wie es begann, ist es auch wieder vorbei. Komplett abrupt. Was bleibt ist dein Duft und eine Handynr. Es ist immer noch kalt und ungemütlich in Hamburg. Die Rückfahrt verläuft wie in Trance.

Steinfeld, 28. Dezember 2014

Am nächsten Tag wähle ich die Nummer, rufe dich an. Mein Herz pocht. Es klingelt. Oft, zu oft? Endlich meldest du dich. Dir geht es schlecht. Das Essen beim Portugieser. Oder die Aufregeung. Du hast die Fahrt zu deinen Enkeln für heute verschoben. Ich fasse mir ein Herz und biete dir an, dich abzuholen mit dem Auto. Du könntest dich bei mir am Hof ein paar Tage erholen und ich könnte dir meinen Hof zeigen. Nach kurzem Zögern kommt deine Antwort. „Ja“. Einfach nur Ja….

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