Urlaub mit R.

B.J.
Netzwerker
28. Oktober 2015

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… Von der Unfähigkeit im Allgemeinen und Speziellen?

Es erscheint so einfach, jetzt wo all das wie geschnitten Brot läuft, was über ein halbes Menschenleben lang so mühsam, um nicht zu sagen ermüdend und frustrierend verlief. In der Retrospektive unserer kurzen und doch so intensiven Zeit, frage ich mich, warum es früher oft so schwer fiel, sich so zu geben und zu verhalten, wie es dem eigenen Naturell entspricht. Es schleicht sich hier der Verdacht ein, – der natürlich absurd ist – , dass man sich selber verstellte, ein Bein quasi stellte, sich gar absichtlich außerhalb der eigene Emotionen begab, nur um nicht zum Kern der Sache, zum eigenen ICH vorzudringen. In Wahrheit doch war da immer ein Block, ein Bollwerk aus Angst zu versagen, aus Angst wieder nicht zu genügen, nicht nur dem anderen, nein auch sich selbst. Es macht mich beinahe rasend zu begreifen, jetzt mit 60 Jahren zu begreifen, zu sehen, wie vernagelt ich war, wie vernagelt die Situationen, die in Summe sich immer mehr zu einem Gebirge aus Frust auftürmten.

Die eigene Sprachlosigkeit erscheint mir wesentlich zu sein für manches dieser frustrierenden Erlebnisse im Verlauf meiner Jugend. Da war der Urlaub mit R., eine rastlose Fahrt im R4 durch Südfrankreich. Liebe im Zelt und unter freiem Himmel hätte es werden können. Wir waren jung und unabhängig, zwar nicht besonders verliebt in einander, aber bereit für den anderen im speziellen, das andere Geschlecht im Allgemeinen. Wir starteten ohne irgendeinen Ballast aus der gemeinsamen Vorvergangenheit. Wir hatten uns schon einige Male am Rande dörflicher Partys getroffen, geknutscht, gefummelt, aber zu mehr war es nie gekommenen. Und nun hatten wir drei Wochen Zeit, uns auszuprobieren. Hätten Zeit und Gelegenheit gehabt , wäre es besser zu sagen. Ich war unter der warmen Sonne der Camargue nicht in der Lage, locker mit R. zu flirten, ihr Komplimente zu machen, mich ihr spielerisch zu nähern. Statt dessen verlief es so, wie bei meinen Eltern in der frühen Zeit des Deutschen Wirtschaftswunders. Also in den späten 1950zigern und den frühen 1960zigern.

Als Kind schlief ich bis zum 10. Lebensjahr im Schlafzimmer meiner Eltern mit. Zwar im eigenen Bett, aber nah genug, um das ein oder andere mal mitzukommen, wie sich mein Vater im dunklen Zimmer unter die Bettdecke meiner Mutter zu schieben versuchte. Er sagte dann so Sachen wie „komm las mich mal“, und meine Mutter wies ihn immer ab, versuchte ihn ganz offensichtlich abzuwimmeln. Nicht ein einziges Mal ist mir so etwas wie lustvolles Bettgeflüster zu Ohren gekommen. Weder von meinem Vater, noch von meiner Mutter, noch von beiden gemeinsam.

So ähnlich war es auch in Südfrankreich mit R. Abends, wenn es dunkel geworden war und schon etwas kühl, schlüpften wir in unserem kleinen Zelt jeweils in den eigenen Schlafsack und dann nach einiger Zeit, versuchte ich stumm (!), mir am oberen Rand des Schlafsack von R. mit den Finger zu schaffen zu machen. Was wollte ich? Vermutlich Körperkontakt. Aber wie sollte das gelingen. Mir fehlte die Sprache, fehlten die Worte, mir fehlte die Erfahrung, mir fehlte das Selbstvertrauen zu mir selbst und zu meinem Körper. Ich fand mich selber nicht sonderlich attraktiv, im Gegenteil, ich schämte mich eher für meinen Körper. Nicht weil er etwa unförmig oder zu dick gewesen wäre, nein hauptsächlich wegen meiner Haut. Ich empfand sie als rau, spröde und schuppig, eben unattraktiv. Meine Annäherung an R. waren, ja wie waren sie eigentlich. Es gelang mir nicht ihren Körper zu erforschen, ihren Hals zu küssen, ihre Schultern zu liebkosen, ihre Brüste in die Hand zu nehmen … ihr Feuchtgebiet zwischen ihren Schenkeln war vermintes Feindesland. War es dort überhaupt feucht? Ich weiß es nicht (mehr). Sie war ebenso stumm wie ich und fummelte ebenso ungeschickt und unerfahren an mir herum. Kurz und gut, wir waren nicht in der Lage uns durch Lachen, Scherzen, ein Glas Wein oder lauschige Musik aus dem Rekorder aus dieser nur denkbar trübsinnigen Stimmung zu befreien. Im Gegenteil: eines nachts war es so weit gekommen, dass sie meinen Schwanz in ihrer Hand hatte und ich sie darauf hin fragte, ob wir es „machen“ sollten und ob sie die Pille nehmen würde. „Nein“, sagte sie, dazu hätte es für sie bisher keine Notwendigkeit gegeben. „Ach so?!?!“, war meine Antwort. Damit war das Thema „Beischlaf“ hinreichend erörtert. Alternativen dazu kannten wir ganz offenbar nicht. Als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, musste ich noch eins drauf setzen. Ihr Versuch mich mit der Hand zu „beglücken“, quittierte ich mit der unmöglichen Bemerkung, daß ich das selber besser könne. Augenblicklich bereute ich diesen Satz, aber er war in der Welt, er hing in unserem Zelt wie eine Giftwolke. Ich habe diesen Satz nie vergessen können, aber auch bis heute auch noch mit jemandem darüber gesprochen. Auch nicht mit R. selber. Viele Jahre später traf ich mich noch einmal mit R. in einem Lokal in Frankfurt’s Szeneviertel auf der Berger Straße. Sie lebte seit vielen Jahren allein im Speckgürtel des Rhein-Main Gebietes, ich glaube in Dreieich. Ich arbeitete damals in einem Projekt in Frankfurt und hatte mir für den Abend vorgenommen, mich für diesen einen Satz zu entschuldigen. Aber dazu kam es nicht. Das Klima zwischen uns war an diesem „Wiedersehensabend“ (nach vielleicht 20 Jahren) nicht dazu angetan, mich für meinen ungeheuerlichen Satz zu entschuldigen. Leider.

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Fühl Dich Selbst

B.J.
Netzwerker
19.07.2016

Fühl Dich Selbst
… Songtext von Dopewalka

Schließ‘ die Augen und fühl dich selbst,
nur für einen Moment, du spürst genau was dich trennt,
lass alles los und dann fühl dich selbst,
nur für einen Moment, weil man den Weg dann erkennt,
atme durch und dann fühl dich selbst,
für einen kleinen Moment, du spürst genau was dich hemmt,
mach’s nich für die, mach es führ sich selbst,
nur für einen Moment, weil man den Weg dann erkennt.

Und lass nich einfach nur die Zeit vergeh’n,
denn es gibt so viel mehr zu tun für uns,
als uns nur gegenseitig Energie zu stehl’n,
das was wir suchen ham wir längst in uns.
Komm lass uns hinter die Fassade seh’n,
und vielleicht geh’n wir ein Stück zu zweit,
und lassen einfach alles liegen und alles steh’n,
nur weil’s uns gut tut.

Schließ die Augen und fühl dich selbst,
nur für einen Moment, du spürst genau was dich trennt,
lass alles los und dann fühl dich selbst,
nur für einen Moment, weil man den Weg dann erkennt,
atme durch und dann fühl dich selbst,
für einen kleinen Moment, du spürst genau was dich hemmt,
mach’s nich für die, mach es führ sich selbst,
nur für einen Moment, weil man den Weg dann erkennt.

Ich heb‘ meinen Kopf und will die Zeichen seh’n,
weil sie mit klarem Blick so deutlich sind,
du kannst nicht jeden meiner Schritte versteh’n,
weil ich an mir noch so viel Neues find,
wir ham unendlich viele Meilen zu geh’n,
drum mach’ die Arme auf, lauf einfach los.
Denn es gibt keinen Grund dem zu widersteh’n,
wenn du glaubst, dass es gut ist.

Schließ die Augen und fühl dich selbst,
nur für einen Moment, du spürst genau was dich trennt,
lass alles los und dann fühl dich selbst,
nur für einen Moment, weil man den Weg dann erkennt,
atme durch und dann fühl dich selbst,
für einen kleinen Moment, du spürst genau was dich hemmt,
mach’s nich für die, mach es führ sich selbst,
nur für einen Moment, weil man den Weg dann erkennt.