Gewalt kurz nach sechs …

B.J.
Netzwerker
28. Juni 2016

… Cappuccino brutale?

Hiermit gebe ich folgendes zu Protokoll:

„Am heutigen Montag den 25.01.2016 betrat ich wie immer gegen 6:15 morgens im Bahnhof Bremen das dort ansässige Café „Segafredo“ und bestellte wie immer in den letzten Wochen ein Croissant mit einem laktosefreien Großen Cappuccino. Das Bestellte wurde mir auf den Tresen gestellt gleichzeitig mit der Aufforderung zu bezahlen, was ich mit einem irritierten Blick auch tat. Der Inhaber versuchte seine Aufforderung „sofort zu zahlen“  mit einem nicht nachvollziehbaren Argument zu erklären oder zu rechtfertigen. Ich zahlte und nahm den ersten Bissen von meinem Croissant und den ersten Schluck aus meiner Tasse Cappuccino.

Da ich wohl immer noch etwas irritiert drein schaute, fragte der Inhaber, schon ziemlich giftig, ob etwas nicht stimme. Ich entgegnete, dass ich es nicht gewohnt sei, vor dem Verzehr abkassiert zu werden, es wäre ja schließlich keine ToGo-Bestellung. Daraufhin fauchte er gallig, er sei der Chef und könne DAS machen wie ER es wolle und das sei im übrigen schon IMMER SO gewesen. Dies bestritt ich mit BesserWissen und dem Argument, dass ich schon über zehn Jahre hier her käme und das es bisher nie so gewesen sei. Er keifte etwas unverständliches und sprang unvermittelt zu mir an den Tresen, packte mich an meinem Jackenkragen und meinem Schal, zog mich mit aller Kraft über die Tresenkante und beschimpfte mich. Dabei fielen Teller und Tasse vom Tresen herab und landeten krachend in der Spüle. Dies machte den Wirt noch ungehaltener und er beschimpfte mich mit unflätigen Worten, zog noch fester an meinem Schal, dass es mich würgte und die Nähte meiner Jacke zu reißen begannen. Um die Sache zu de-eskalieren, versuchte ich den Wirt mit Worten zu beruhigen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er von mir ab und versuchte sofort Stimmung gegen mich unter den Anwesenden zu machen.

Er sprang hinter dem Tresen hervor und rief lautstark nach zwei Ordnungskräften der Bahn, die dann auch kamen und ihrerseits die Polizei riefen. Der Wirt wollte, dass ich seinen Tresen von den Kaffeespritzern reinigen sollte. Er versuchte auch sofort die beiden Ordnungskräfte für sich zu vereinnahmen, gestikulierend verwies er auf die Kaffeespritzer auf seinen Utensilien hinter dem Tresen. Die eintreffenden Polizisten befragten mich, den Wirt und die andere Gäste. Da ich zum Zug musste verzichtete ich auf die sofortige Erstattung einer Strafanzeige noch vor Ort. Ich verweise auf die gleichen Zeugen, die auch von den Polizisten befragt wurden.

Ich stelle hiermit Strafanzeige wegen Körperverletzung und Angriff auf die eigene Person
Gez. Bernhard J.“

Ende des Protokolls.

Diesen Text schrieb ich zunächst als Gedächtnisstütze für eine eventuelle Anzeige oder Vernehmung gleich im Anschluss an diese gewaltsame Szene. Alles hatte sich genau so zugetragen an diesem kalten Morgen auf meiner Fahrt vom Teufelsmoor zum Rheinland in die ehemalige Hauptstadt. Nur ein paar Details waren vielleicht etwas anders gewesen.

Ich hatte mich schon mehrfach über diesen arroganten MöchteGernBarrista hinter dem Tresen des Sagafredo geärgert. Er verbreitete mit seiner künstlichen, um nicht zu sagen grundlosen Hektik, die er Montag für Montag in seinem Café veranstaltete, eine Ungemütlichkeit, die noch nicht einmal von den kalten Temperaturen, die in seinem Laden morgens herrschten übertroffen wurde.

Warum in aller Welt ist es mir nicht vergönnt, morgens ein, zwei Tassen Kaffee zu trinken und ein, zwei Croissant zu essen, je nach Lust und Laune, und dann, wie es seit hunderten von Jahren in allen Gasthäusern dieser Welt und natürlich auch in allen italienischen Kaffeebars von Venedig bis Palermo so praktiziert wird, mein Portemonnaie zu zücken und die Zeche zu begleichen. Statt dessen quakt mich dieser MöchteGernBarrista von der Seite an, als hätte ich diese Unkultur des ToGo übernommen und mir meinen Espresso Macciato in einem Pappbecher geben lassen. Habe ich aber nicht, werde ich auch nicht, solange es Kaffeehäuser gibt, die wissen, dass sie ein Genusstempel sind und kein Schnellimbiss. Jedenfalls hatte ich diesen dahergelaufenen MöchteGernBarrista mit Migrationshintergrund schon seit längerem gefressen und kehrte nur aus Mangel an Alternativen auf dem Hauptbahnhof immer wieder dorthin zurück. Der Cappuccino, der Espresso bei Sagafredo schmeckt mir seit vielen Jahren auf den Bahnhöfen dieser Welt gut, zumindest in Frankfurt, Hamburg, Berlin und eben auch in Bremen. An diesem Morgen kam etwas in mir hoch, was ich so von mir gar nicht kenne. Ich wollte diese Missachtung menschlicher Kultur, menschlicher Zivilisation einfach nicht hinnehmen und still ertragen. Etwas musste geschehen. Es war ein Reflex, eine Überschlagshandlung, es kam aus dem Rückenmark direkt in meine Arme, meine Hände, genauer den linken Arm und die linke Hand. Aus dem Handgelenk heraus ging die Hand aus ihrer entspannten Grundhaltung ohne Umschweife über in eine schnelle, sehr schnelle stoßartige Vorwärtsbewegung, die den Teller mit dem Croissant und die Tasse samt Untertasse und Inhalt auf eine Geschwindigkeit beschleunigte, die allen Beteiligten gar keine andere Wahl ließ als ihren bisherigen Platz auf dem Tresen, zunächst mit einem kurzen Flug und dann mit einer krachenden Landung im Waschbecken zu verlassen. Ringsum sah ich in verdutzte Gesichter, die nicht wirklich sagten: seht her, ich hab es genau gesehen!

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