B.J.
Netzwerker
4. April 2016
Leben im Netz…
… oder ein Leben ohne Netz
Ein Leben ohne Netz ist denkbar, aber sinnlos. In Anlehnung an Loriots viel zitiertem Ausspruch beginne ich den heutigen Montag ohne Netz. Freiwillig? Nein ganz und gar nicht. Vorausgegangen ist eine noch andauernde Auseinandersetzung mit 2×4, einem bekannten Deutschen Internetprovider und Telekomanbieter. Es begann mit einer harmlosen Werbemail einer Tochterunternehmung von 2×4, der ebenfalls bekannten WAB.de. Ein verlockendes Angebot exklusiv nur für mich und nur bis zum Monatsende …. Wir kennen diese Art Mail alle (zu Genüge). Da hab ich dann mal geklickt und versucht, die Details zu ergründen. … Am Ende hatte ich telefonisch einen Tarifwechsel beauftragt, der sich schon fünf Minuten später, als die Bestätigungsmail kam, als absolute Niete herausstellte. Nicht nur das. Der clevere Verkäufer hatte mich mit Falschaussagen und Halbwahrheiten in sein Netz gelockt …. Da saß ich nun und es begann eine Vertreibung aus dem Paradies, meine Vertreibung. Nicht sofort und nicht so unmissverständlich wie damals bei Adam und Eva, aber nicht weniger systematisch. Mein sofortiger Anruf bei 2×4 und der Versuch die ganze Sache schlicht und ergreifend zu stornieren scheiterte daran, dass die Stornoabteilung nicht besetzt sei …. Aber nach den Feiertagen ( es war Ostern) würde man mir helfen.
Vier Uhr zehn… Der Wecker ist pünktlich, wie immer an den Montagen, an denen ich in die Ehemalige Hauptstadt fahre, um die Brötchen zu verdienen, die man bekanntlich zum Leben braucht, wie das Netz, an das wir glauben und in dem wir uns wie selbstverständlich bewegen. Noch vor dem nächtlichen oder morgendlichen Toilettengang, die diesmal beide genau zusammenfielen, was mir sehr recht war, nahm ich mein iPad vom Nachttisch und schlug EINSTELLUNGEN auf …. Netz war da. Hatten sie es also doch nicht gewagt …. Sekunden später wechselte die Anzeige auf „kein Netz“. Also doch. Diese Schwe…
Aber ist ja nur halb so schlimm. Hier zu Hause in meinen vier Wänden hab ICH doch die Oberhoheit. MEIN LAN bzw MEIN WLAN funktionieren doch ohne Netz von 2×4…..oder etwa nicht? Leise Zweifel kamen auf. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang zwischen SIM und WLAN und Fritzbox und 2×4. neeeiiiin gibt es nicht. Zumindest bei mir zu Hause nicht. Also schrieb ich wie gewohnt nach der erstes Tasse Kaffee und einem Brötchen, nein es war ein Vollkornbrot, die Brötchen wollte ich erst noch verdienen heute in der ExHauptStadt am Rhein, meiner Frau einen morgendlichen Gruß in die Tasten und schickte ihn per WhatsApp durch das Netz, das die Welt umspannt, zu ihr auf den Nachttisch, der circa 2000km entfernt an der CostaBlanca steht. Normalerweise hoffte ich dann immer darauf, dass nicht gleich die beiden blauen Häkchen erscheinen, die signalisieren, dass sie wach geworden und auch schon um 4:39 bereit ist, ihrerseits liebste Grüße und Küsse durch das gleiche Netz zu schicken, das die Welt umgarnt. Sie sollte lieber noch etwas weiter schlafen. Aber heute wartete ich auf die beiden Blauen Brüder, so als Zeichen meiner Macht über das Netz oder wenigstens einen Teil davon. Die Brüder blieben grau.
Die Fahrt durch die Nacht, die mir diesmal wieder viel dunkler vor kam als am letzten Montag, würde auch ohne Netz reibungslos ablaufen, da ich die Strecke gut, um nicht zu sagen sehr gut kenne. Es begann zu regnen. Ich schaltete die Scheibenwischer ein und freute mich darüber, dass ich nichts hörte, nichts außer dem nassen Sound der Reifen und die morgendlichen Songs meines Lieblingssender, hatte ich doch vor einigen Wochen das Gestänge meiner Scheibenwischeranlage von Hans austauschen lassen. Wie viele Jahre hatte ich das extrem unangenehme Knallen der Wischer ertragen, das bei jedem Zyklus von links nach rechts und zurück von rechts nach links meine Ohren quälte und mich jedesmal dazu verleitete, die Wischer entweder gar nicht, erst sehr spät, wenn ich schon nichts mehr sehen konnte, oder wenigstens in der Intervall Stellung einzuschalten, nur um dieses ewige Knallen der Wischerblätter auf dem Rand der Windschutzscheibe links oder der Wischerparkstellung unten nicht so oft hören zu müssen. Die 157 Euro, die die Reparatur gekostet hatte, waren Cent für Cent sehr gut angelegt. Lautlos gleiten nun die Blätter, die im übrigen auch neu sind und über 40€ gekosten haben, über die Windschutzscheibe, hinterlassen, wie Hans es nennt, ein „ordentliches Wischerbild“ und arbeiten in allen Stellungen vorzüglich. Das Auto ist dadurch fast wie neu, obwohl es schon 18 Jahre alt und bald 400000 km gelaufen ist. Aber das ist eine andere Geschichte. Das Gestänge war ausgeschlagen, zuerst nur etwas, kaum bemerkbar, nicht immer zu hören, irgendwie auch abhängig von Grad des Regenschauer, vom Grad der Verschmutzung der Scheibe. Aber mit der Zeit wurde es lauter, regelmäßiger, eben verlässlich. Das Knallen gehörte dazu. Und da ich das Auto nicht allzu oft fuhr, ertrug ich es. Vielleicht war ich auch zu geizig. Wer wusste schon wie aufwendig die Reparatur sein würde. Jetzt freute ich mich fast schon, als es zu regnen begann, an diesem Montag Morgen gegen fünf in der Früh. Und jetzt fiel es mir auch ein, warum es so finster war heute morgen. Die gottverdammte Zeitumstellung am vergangenen Samstag war Schuld daran. Genauso sinnlos, wie das jahrelange Knallen der Wischer, ertragen wir alle diese Prozedur zweimal im Jahr. Kaum einer mag sie, viele verwünschen sie, aber alle ertragen sie. Die Zeitumstellung.
Kurz nach fünf erreiche ich den Hauptbahnhof in Bremen. Ich kaufe mir ein Brötchen mit Ei und Käse beim Bäcker am Westausgang, dem Ausgang zum Bremer Freimarkt, und einen Becher frischen Saft am anderen Ende der Unterführung, am eigentlichen Haupteingang des Bahnhof. Das Bild hat sich hier nach meinem Empfinden wieder normalisiert. Einige Montage lang waren mir die vielen fremd aussehenden Menschen ins Auge gefallen. Es hatte mich an meine Zeit in Frankfurt erinnert, wo einem auf der Zeil immer, zu jeder Zeit Menschen aus aller Herren Länder mit den unterschiedlichsten Hautfarben, Sprachen und Kleidungsstilen begegneten. Hier in Bremen fiel mir auf, daß alle immer und ständig im Netz unterwegs waren. Dieses weltumspannende Netz war den vielen Flüchtlingen sicher eine große Hilfe, den Kontakt untereinander und mit Freunden und der eigenen Familien zu halten. Meine de-aktivierte SIM-Karte bekam sofort eine andere Bedeutung. Wäre ich auf der Flucht und hätte mir 2×4 den Weg aus dem Netz gewiesen, hätte es die Trennung von meiner Frau, meinem Kind, meinen Freunden, meinem Schlepper, meinem Leben bedeuten können.
„Notruf möglich“ steht unten auf dem Display meines Smartphone. Also bin ich doch im Netz, sonst ginge auch kein Notruf. Wenn ich doch im Netz bin, bin ich auch ortbar, ortbar für die anderen. Sie verfolgen meine Wege, wenn sie wollen, sperren mich aber aus von der Nutzung des Netzes. Und das obwohl ich einen Vertrag habe, meine Rechnungen immer bezahle, seit 20 Jahren die gleiche Mobilfunknummer besitze, immer im Besten Netz zu Hause war. Sie wollen mich aus meinem Paradies vertreiben, aus dem Paradies in das sie mich vor Jahren gelockt hatten. Freephone. Und da ich ein eher treuer Zeitgenosse bin, bin ich immer noch Freephone-Kunde. Inzwischen gibt es diesem Vertrag nicht mehr im Angebot der 2×4 AG. Im Gegenteil. Schon seit längerem spüre ich, wie sie immer wieder versuchen, mich zum Vertragswechsel zu animieren. Erfolglos bisher. Jetzt haben sie es mit üblen Tricks versucht. Halbwahrheiten und Fehlinformationen. Das BESTE NETZ darf es nicht mehr sein. „E“ wie Ersatz heißt es jetzt. Bei mir zuhause auf dem Lande ist selbst das BESTE NETZ nicht überall zu finden, aber das „E“rsatzNETZ geht gar nicht.
Ich schreibe diese Zeilen auf meinem iPad, offline versteht sich, und bin von der Qualität des Programms und besonders von der Soft Tastatur begeistert. Manche Funktion muss ich mir noch erarbeiten, aber dafür gibt es ja Hilfe. Allerdings stoße ich hier schnell an die Grenzen. Weitergehende Information zur Verwendung des Programms bekomme ich nur, wenn ich eine Online-Verbindung habe. Also doch. Ohne Netz nur ein halber Mann. Wie schon erwähnt steht der Nachttisch meiner Frau in Spanien und da liegt es nahe, spanisch zu lernen. Babble lautet das Zauberwort. Spanisch für Anfänger und Fortgeschrittene. Ein OnlineKurs im günstigen 6-Monatsabo. Ich melde mich an und seit dem übe ich mich in spanischer Konversation. Die Software gefällt mir. Ich bin motiviert und mache Fortschritte. Über Ostern bin in auf dem Campo in Denia unterwegs und versuche mich mit den ersten Bestellungen von Cortado und Tostada con tomate. 20 Lektionen umfasst der erste Kurs, dazu eine Reihe Wiederholungen und spezieller Übungen. Am Ende jeder Lektion wird die nächste, folgende herunter geladen. Online eben. Meine zweite SIM-Karte im iPad bewährt sich vorzüglich. Ich bin überrascht wie zügig auch im ICE das Nachladen über Mobile Daten flutscht. Nur heute nicht. Kein Netz. Kein Fortschritt. Das kommt mir spanisch vor.